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Digitalisierung der Sachmangelhaftung

25.02.2022: Neue Pflichten für Anbieter von digitalen Produkten ab 2022

Am 1. Januar 2022 sind zwei neue EU-Richtlinien in Kraft getreten. Mit der „Europäischen Warenverkaufsrichtlinie“ (WKRL) und der „Richtlinie über digitale Inhalte und Dienstleistungen“ (DIDRL) setzt der deutsche Gesetzgeber die EU-Richtlinien in nationales Recht um. Beide Gesetze sind anwendbar auf geschlossene Verträge ab dem 1. Januar 2022 und zugleich auf Verträge, welche zwar vor dem 1. Januar abgeschlossen wurden, die Bereitstellung des jeweiligen digitalen Produktes jedoch erst nach dem 1. Januar 2022 erfolgt. Folglich betreffen die Neuregelungen insbesondere den digitalen Sektor.

Hintergrund der Neuerungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) ist das Bestreben des Gesetzgebers nach einer Harmonisierung des Vertragsrechts sowie der Stärkung der Verbraucherrechte beim Kauf digitaler Produkte in allen EU-Mitgliedstaaten.

1. Verbraucherverträge mit digitalen Inhalten

Die Vorschriften gelten für alle Verbraucherverträge, welche die Bereitstellung digitaler Inhalte oder digitaler Dienstleistungen zum Gegenstand haben.

Ergänzend dazu werden folgende Begriffsdefinitionen festgelegt:

- Digitale Produkte = Produkte mit digitalen Inhalten oder Dienstleistungen.

- Digitale Inhalte   = Daten, die in digitaler Form erstellt oder bereitgestellt werden.                           

- Digitale Dienstleistungen = Dienstleistungen, die die Erstellung, Verarbeitung oder Speicherung ermöglichen.

 

2. Sachmangelbegriff (§ 434 BGB)

Durch die Erweiterung des Sachmangelbegriffes entsteht ein neues Verständnis des Mangels.                 

Eine Sache gilt als mangelfrei, wenn diese bei Gefahrenübergang den (a) subjektiven, (b) objektiven und den (c) Montageanforderungen entspricht.

 

(a) Subjektive Anforderungen

(b) Objektive Anforderungen

(c) Montageanforderungen

1) Vorliegen vereinbarter Qualität,
    Menge, Kompatibilität etc.

2) Eignung für die vorausgesetzte
    Verwendung

3) Übergabe mit vereinbartem Zubehör

1) Eignung für die gewöhnliche
    Verwendung

2) Vergleichbare Beschaffenheit zu
    analogen Produkten

3) Beschaffenheit basiert auf
   Proben/Muster

1) Sachgerechte Durchführung Montage

2) Unsachgemäße Durchführung der
    Montage, die nicht auf den Verkäufer
    oder die Anleitung zurückzuführen ist

 

Nach dem reformierten Kaufrecht stehen von nun an subjektive, objektive und Montageanforderungen gleichrangig nebeneinander. Resultierend daraus sind zukünftige Konstellationen denkbar, in denen beispielsweise die gelieferte Ware den subjektiven Anforderungen entspricht, jedoch nicht für die gewöhnliche Verwendung geeignet – und somit mangelhaft – ist. Bislang hatten die subjektiven Anforderungen Vorrang vor den anderen.                                                                                                                                                      

 Ist ein digitales Produkt mangelhaft, so stehen dem Verbraucher u.a. folgende Rechte zu:

- Nacherfüllung / Nachbesserung (§ 327l BGB)

- Aufwendungsersatz (§ 284 BGB)

- Vertragsbeendigung (§ 327m BGB)

 

3. Aktualisierungspflicht (§ 475b BGB)

Neben dem erweiterten Sachmangelbegriff werden die Kaufverträge ebenso um die neu eingeführte Aktualisierungspflicht ergänzt. Betroffen sind Geräte bei denen digitale Elemente für die Funktionstüchtigkeit der Ware entscheidend sind.                                                                                                                                                                    

Die Neuregelung verpflichtet Anbieter zur regelmäßigen Aktualisierung ihrer Produkte. Durch die Aktualisierung des Produktes soll die Ware auch nach Vertragsabschluss weiterhin vertragsgemäß bleiben, um u.a. auch die IT- Sicherheit der Produkte und- oder Dienstleistungen langfristig zu gewährleisten. Für Computer und Smartphones gilt zum Beispiel eine Update-Pflicht. Dabei sieht der Gesetzgeber lediglich funktionserhaltende Updates vor. Die Dauer der Aktualisierungspflicht umfasst den Zeitraum, für den der Unternehmer aufgrund Vertragswidrigkeit haftet, d.h. mindestens 2 Jahre.

 

4. Verlängerung der Beweislastumkehr (§ 477 BGB) 

Zugunsten des Verbrauchers wird die Frist der Beweislastumkehr, bei Sachmängeln im Rahmen eines Verbrauchgütervertrages, auf ein Jahr verlängert. Tritt innerhalb dieses Jahres nach Gefahrübergang ein Mangel am Produkt auf, so wird rechtlich vermutet, dass der Mangel bereits bei Gefahrübergang vorhanden war. Bislang galt diese Vermutung lediglich für 6 Monate. Bei Produkten mit einer dauerhaften Bereitstellung digitaler Elemente, soll die Beweislastumkehr für den gesamten Bereitstellungszeitraum, mindestens einen Zeitraum von 2 Jahren gelten.                                                  

 

5. Fazit

Vor dem Hintergrund der Stärkung des Verbraucherschutzes führt die neue Rechtslage zu einer erheblichen Verschärfung der Haftung für Unternehmen. Wir empfehlen Ihnen Ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu prüfen und gegebenenfalls anzupassen sowie ihre Leistungsbeschreibung hinsichtlich der Aktualisierungspflicht anzugleichen. Wir behalten für Sie den Versicherungsmarkt im Auge.

 

Stuttgart, im Februar 2022

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